Als Martin Graf am 18.Juni 2009 – dem Abend an dem die Lichterkette stattfand – vom ORF interviewt wurde, meinte er, dass vor dem Parlament der gewaltbereite, linke, antifaschistische Block stünde. Es war einer der zahlreichen Versuche jegliche Form des Widerstands gegen rechtsextreme Kräfte zu diskreditieren. Wie alle Beteiligten wissen, hatten wir die Lichterkette jedoch friedlich angelegt, bescherten der anwesenden Exekutive einen äußerst ruhigen Abend und bekamen von mehreren PolizistInnen auch Sympathiebekundungen für unser Anliegen. Durch unseren friedlichen PROtest konnten wir einigen die Lächerlichkeit von Grafs Aussagen vor Augen führen.
Seit Juni hat es leider wieder zahlreiche Ereignisse gegeben, gegen die mensch sich demonstrierend und protestierend auf die Straße bewegen musste. Darunter die Gesetzesnovelle im Asylbereich, die Bildungsmisere an den Universitäten oder die Versammlungen recht(sextrem)er Burschenschafter in der Hofburg. Auf letztere möchten wir hier genauer eingehen.
Wir waren am 21. November 2009 bei der Demonstration gegen den Festkommers in der Hofburg, an dem 1500 teils rechtsextreme Burschenschafter teilnahmen. Wer an diesem Tag durch die Wiener Innenstadt ging, war von dem Polizeiaufgebot überwältigt. Vom Museumsquartier bis zu Hofburg standen die Wägen der Exekutive fast schon Spalier. Uns war nicht klar, was bei dieser Demonstration auf uns zukommen würde. Umso überraschter waren wir, als wir in den Abendstunden gemeinsam mit ca. 500 Menschen vor den verschlossenen Toren des Burgtors standen, und niemand - wirklich niemand - gewaltbereit aussah. Zur Gewalt bereit schien lediglich die Exekutive, was sich aber zugegebenermaßen nicht vermeiden lässt, wenn mit einer derartigen Bewaffnung aufmarschiert wird.
Zu behaupten, dass diese Demonstration die öffentliche Sicherheit nur annähernd gefährdete, wäre absurd. Umso absurder ist die Entscheidung der Polizei, die Demonstration
gegen den WKR (Wiener Korporationsring) Ball am 29. Januar 2010 mit eben dieser Begründung zu verbieten. Wir sehen die Demokratie und die öffentliche Sicherheit durch ein Verbot der Gegendemonstration gefährdet. Das Polizeiaufgebot am 29.Januar 2010 war noch größer als das im November des Vorjahres. Wasserwerfer und PolizistInnen aus den Bundesländern standen bereit, um Wien vor dem “gewaltbereiten, antifaschistischen Block” zu schützen, während 20 Meter entfernt TrommlerInnen von Attac Samba Rhythmen spielten und die
ClownArmy friedlich dazu tanzte. 20 Menschen, die von ebensovielen PolizistInnen “bewacht” wurden, boten ein tragisch-komisches Bild, das uns wütend machte. Hinter uns hörten wir jemanden sagen: “Wir sollten: 'Wir sind friedlich, was seid ihr?' rufen". Damit wurde uns aus dem Herzen gesprochen, denn vor uns sahen wir ca. 300 Menschen, die von der Polizei eingekesselt wurden. Die unverhältnismäßig hohe Anzahl an PolizistInnen und ihre Ausrüstung waren offensichtlich eine reine Machtdemonstration. Die TeilnehmerInnen wurden namentlich regisitriert, wobei viele unter ihnen gar nicht wussten, dass die Veranstaltung verboten war.
Die Stimmung ist leider nicht bis zum Schluss der Veranstaltung friedlich geblieben - im Kessel eskalierte die Situation. Von wem die ersten Provokationen ausgingen, vermögen wir nicht zu beurteilen. Es wurden jedoch Szenen gefilmt, die anfängliche Gewaltanwendung seitens der Exekutive zeigen:
VideoDas und zahlreiche Erfahrungsberichte über fragwürdige Schikanen gegenüber DemonstrationsteilnehmerInnen beunruhigen uns. JournalistInnen wurden bei ihrer Arbeit behindert und die Berichterstattung in den Medien transportierte ein Bild von ausschließlich gewaltbereiten DemonstrantInnen, das definitiv nicht der Realität entspricht.
Viele Menschen wagen es mittlerweile nicht mehr auf solche Gegenveranstaltungen zu gehen, weil sie von den Medien ein falsches Bild suggeriert bekommen. Der Kampf gegen den Faschismus verliert durch diese Machtdemonstrationen der Exekutive an Breite. Daher sehen wir im Verbot der Demo, als auch in den Schikanen eine Gefahr für die Demokratie. Wir hoffen, dass Menschen, die eigentlich gegen Faschismus und Rechtsradikalismus protestieren würden, sich nicht von diesen Meldungen abschrecken lassen und sich ihr eigenes Bild von solchen Veranstaltungen machen. Ausnahmen kann es immer geben, aber der Großteil der AktivistInnen kämpft auf friedliche aber entschiedene Art und Weise für Demokratie und Menschenrechte, sowie gegen Rassismus, Holocaust Leugnungen und Antisemitismus.
Uns beschäftigt nun die Frage, warum die Staatsgewalt das behindert. Und noch vielmehr: Wer ist für das Verbot der Demo, sowie den Polizeieinsatz am 29.1.2010 verantwortlich?